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Die Wurzeln freier Software
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Die Anfänge freier Software sind eng mit den Anfängen der
Computerindustrie verknüpft. In einem Kartellrechtsprozeß zwischen dem
amerikanischen Departement of Justice und AT&T, der sich von 1949
bis 1956 hinzog, wurde AT&T verpflichtet, seine Geschäftstätigkeit
auf den Bereich Telekommunikation zu beschränken und seine Patente
gegen nominelle Gebühren an seine Konkurrenten zu lizensieren. Zu
dieser Zeit bestand das Computergeschäft fast ausschließlich aus dem
Verkauf und der Wartung von Hardware. Software war ein Nebenprodukt, da
die meisten Anwender ihre Software selbst entwickelten. Erst mit der
Entstehung der Timesharing-Systeme
begann die Softwareentwicklung in der Form, wie wir sie heute kennen.
Durch die Entwicklung von Festplatten und Magnetbändern war es erstmals
möglich, Programme auf den Computern selbst zu speichern, zu
modifizieren und wiederzuverwenden. Diese neue Form der Computernutzung
förderte die enge Kooperation der einzelnen Benutzer und den regen
Austausch von Programmen.
1969 entwickelten Ken Thompson und Dennis Ritchie in den AT&T
Bell Telephone Laboratories die erste Version von Unix. AT&T, an
der kommerziellen Verwertung gehindert, lizensierte Unix für einen
nominellen Betrag an Universitäten und gegen astronomische Summen an
kommerzielle Nutzer, um einen möglichen Verstoß gegen den Vergleich von
1956 von vornherein auszuschließen. Dazu kamen ausgesprochen
vorteilhafte Rahmenbedingungen: kein Support, keine Bugfixes, Lieferung
nur gegen Vorkasse.
Das Ergebnis war eine rege Entwicklungstätigkeit im universitären
Umfeld. Ein Austausch der Programme war problemlos möglich, da nahezu
alle Universitäten über eine Unix-Lizenz
verfügten. Durch das Fehlen jeglichen Supports entwickelte sich das
Usenet zu einem schnellen und leistungsfähigen Supportnetzwerk der
Universitäten untereinander. Als Koordinationsstelle fungierte die
Universität von Berkeley, Kalifornien, die einen eigenen Zweig von
Unix, die Berkeley Software Distribution (BSD), entwickelte und an
andere Universitäten vertrieb. Die erste BSD-Version wurde von Bill
Joy, dem späteren Gründer von Sun Microsystems, im Jahr 1978
herausgegeben. Im selben Jahr entstand auch das Internet, damals noch
Arpanet genannt, auf der Basis von Unix-Systemen.
Das Jahr 1982 ist das Geburtsjahr des kommerziellen Unix. IBM, HP und DEC veröffentlichen Unix-Versionen
unter neuen Namen für ihre eigene Hardware. Bill Joy verläßt die
Universität von Berkeley und gründet Sun Microsystems. Das erste
Betriebssystem für die neuen Workstations basiert auf BSD 4.2. AT&T
kündigt offiziellen Support für Unix an und veröffentlicht die erste
kommerzielle Version.
Nach einem weiteren Kartellprozeß trennte sich AT&T 1984 von 26 Firmen der Bell-Gruppe und durfte fortan als Wettbewerber im Computergeschäft auftreten. Damit nahm die Ära der liberalen Unix-Lizenzierung,
des Zugriffs auf den Quellcode sowie des Austauschs von Programmen und
Verbesserungen ein Ende. Die Lizenzgebühren für Unix wurden drastisch
angehoben.
Die Philosophie des GNU und die Pragmatik des Open Source
Im Schatten dieser Veränderungen gründete Richard Stallman das
GNU-Projekt (GNU is not Unix) mit dem Ziel, ein freies Unix zu
schaffen. Als Koordinationsstelle und zur Erwirtschaftung von Einnahmen
durch den Versand der im Rahmen des GNU-Projektes erstellten Software
und Dokumentation wurde 1984 die Free Software Foundation gegründet.
Stallman betrachtete es als sein natürliches Recht, seine Programme
mit seinen Freunden und Kollegen zu teilen, insbesondere vor dem
Hintergrund, daß das Verteilen von Software im Gegensatz zu echten
Gütern nahezu ohne jeglichen Aufwand und mit nur marginalen Kosten zu
erreichen ist. Durch die zu dieser Zeit immer restriktiver werdenden
Lizenzen der kommerziellen Softwareanbieter, sah sich Stallman in
diesem bis dahin üblichen Umgang mit Software gehindert.
Mit der GPL entwickelte Stallman den Begriff des Copyleft, als
Wortspiel auf das ihm so unbequeme Copyright. Hauptaufgabe des Copyleft
ist sicherzustellen, daß Software, die ihm unterliegt, frei bleibt, d.
h., jeder, der sie benutzt und weiterentwickelt, hat die gleichen
Rechte wie der ursprüngliche Autor. Dieses Ziel stellt die GPL durch
die Forderung sicher, daß jedes Programm, das auch nur eine Zeile Code
enthält, der der GPL unterliegt, wieder der GPL unterliegen muß.
Genau diese Eigenschaft macht die GPL denkbar ungeeignet für die
Entwicklung kommerzieller Software, da sie mit jeder anderen Lizenz,
die mehr Einschränkungen enthält, inkompatibel ist. Die Akzeptanz
freier Software beschränkte sich daher über 10 Jahre lang fast
ausschließlich auf den privaten und universitären Bereich. Die
sozialistische Grundhaltung und Stallmans ideologische Beharrlichkeit
gegenüber Versuchen, die GPL kommerzverträglicher zu gestalten, dürfte
weiter zur Ablehnung der GPL von weiten Teilen der Softwareindustrie
beigetragen haben.
Als mit dem Erscheinen von Linux das letzte fehlende Element, der
Kernel, für das GNU-System verfügbar wurde, stand erstmals in der
Geschichte der Datenverarbeitung ein komplett freies Betriebssystem zur
Verfügung. Stallmans Ziel war erreicht.
Allerdings fing mit der Verwirklichung dieses Ziels der Ärger erst
an. Linux erreichte in kürzester Zeit eine Beliebtheit und Verbreitung,
wie sie bei freier Software bis dahin unbekannt war. Viele Benutzer
kamen hinzu, die Linux wegen seiner Stabilität und seiner Vorzüge
verwendeten, nicht wegen seiner Freiheit.
Mit Linux rückte die freie Software auch in das Blickfeld der
kommerziellen Welt. Mehr und mehr kommerzielle Software wurde auf Linux
portiert, die Grenzen zwischen freier und nichtfreier Software wurden
fließend.
Eric Raymonds Analyse der Entwicklungsmethode der Linux-Kernel-Gemeinde
beleuchtete die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der offenen
Softwareentwicklung. Schwerpunkt Raymonds ist nicht der ideologische
Hintergrund, sondern das beindruckende Entwicklungsmodell, mit dem eine
Handvoll Programmierer geschafft hatte, was Stallman und die FSF seit
Jahren vergebens versuchten: Die Entwicklung eines stabilen und
schnellen Unix-Kernels, ohne auf fremden Code zurückzugreifen.
Kein Wunder, daß Raymond schnell die Aufmerksamkeit der Industrie
auf sich zog. Raymond war maßgeblich an der Definition der Netscape
Public License und der Apple Public License beteiligt. Die freie
Software-Gemeinde
wurde in zwei Teile gespalten. Die Fraktion der Pragmatiker, die der
Ansicht folgt, das Wichtigste sei stabile Software, die an die
individuellen Bedürfnisse der Benutzer angepaßt und frei verteilt
werden darf, steht den Anhängern der reinen Lehre freier Software
gegenüber, die Schwächen und Einschränkungen der neuen Lizenzen
lautstark anprangern.
Sicherlich bringt die Lizenzinflation neue Probleme mit sich.
Welchen Status nimmt Software ein, die Code unter verschiedenen
Lizenzen enthält - ein Programm, das beispielsweise durch die
Zusammenführung von Code aus Apples MacOS X Server und Mozilla, dem
freien Netscape, entsteht? Verwendet die Benutzeroberfläche dieses
neuen fiktiven Programms auch noch die Qt-Bibliothek von Troll Tech, so kommt noch eine dritte Lizenz hinzu. Alle drei Lizenzen bedingen unterschiedliche Einschränkungen.
Wie und ob die Nutzer freier Software dieses Problem lösen, hängt
letztlich auch von dem Kooperationswillen der Lizenzgeber, der
Softwareindustrie, ab. Zur Zeit gibt es hierzu heftige Diskussionen.
Ein Anhänger Stallmans schrieb: Das Schlimmste, das der freien Software
passieren kann, ist eine riesige Menge fast freier Software.
Wichtig ist, mit welcher Absicht die Welt der kommerziellen Softwarehersteller in das Open Source-Entwicklungsmodell
einsteigt. Will sie nur schnelle Bugfixes und Verbesserungen, oder
schafft sie es, ihre Orientierung von dem kurzfristigen materiellen
Vorteil auf langfristig stabile und qualitativ hochwertige Software zu
verlagern? Nutzt sie das Know-how der freien Software-Gemeinde nur aus oder steuert sie selbst ihren Teil bei?
Die Antwort auf diese Fragen kann nur die Zukunft bringen und sie
hängt stark davon ab, wie bewußt sich die Benutzer und Entwickler
freier Software dieses Problems sind. Stallmans Position würde die
freie Software wieder in ihre Nische zurückführen. Unter Raymond ist
die feindliche Übernahme freier Software durch die Industrie
wahrscheinlich. Wie so oft, kann man keiner der Positionen
uneingeschränkt zustimmen. Da bei freier Software die Macht aber bei
ihren Nutzern und Entwicklern liegt, wird es von dem Verhalten der
einzelnen abhängen, welchen Weg die freie Software nehmen wird. |
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